Segeln





Lasst es krachen!








Die Schneeglöckchen-Regatta 2011 aus der Sicht

eines Laser-Standard-Seglers.




Master; engl. für: der Herr, der Kapitän, der Könner, der Meister, das

Original. Aber auch: to master sth. – etwas beherrschen.

Zum Beispiel den Laser Standard?

Eine von vielen Regeln im Sportjournalismus lautet: Beschreibe niemals die Wetterlage als Einstieg in den Artikel.

Tja, und nun? Es war geil, das Wetter! Und warum soll man nicht gleich zu Beginn darüber schreiben? Mitten im April über 22 Grad C.,

strahlend blauer Himmel, die Bäume am Ufer im zartesten Grün, die Gräser recken sich ebenfalls g… empor, aber lassen wir das!

Schneeglöckchen-Regatta am Goldkanal. Eine Traditionsveranstaltung im Südwesten, die in den letzten Jahren mangels Teilnehmerscharen

ein wenig an Dynamik verlor, aber nun dank der Europe-Klasse wieder echten Zulauf erlebt. 23 von den 3,35-m-Flitzern mit der Segelfläche

eines Laser-Standard waren am Start, ge- und verfolgt von 12 eben dieser „großen“ Laser, denen wiederum 10 der schwimmenden Kühlschranktüren

mit Radial-Besegelung mit 5 Minuten Abstand hinterher segelten. Und schließlich noch ein paar Jüngsten-Umsteiger auf den gleichen Booten,

aber mit nur 4.7 qm Segelfläche zwischen Mast und Baum.

Zur Ehrenrettung der Laser-Klasse muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass allein die Friedrichshafener Familie Rimmele mit 6 Europes am Start (!) war

und so schon fast eine eigene Ranglistenregatta veranstalten könnte.

Die Laser-Standard machten die mangelnde Masse mit Prominenz wett: Obmann Matze Rebholz kam mit seinem unverschämt erfolgreichen jüngeren Bruder Conrad,

der er erst vor Kurzem zu den richtigen Laser-Seglern aufgestiegen war; beide Bodenseeler wollten den Herrschaften in der (seglerischen) Provinz zeigen,

wo beim Spiel mit dem Wind der Hammer hängt. Oder zumindest hängen könnte…

Doch die Badener hatten vorgesorgt: Christian Wetzel (früher RKC Wörth) arbeitet zwar mittlerweile auch am Schwäbischen Meer,

wird aber dank familiärer Bindungen nach Bühl und aufgrund höchster seglerischer Qualitäten eisern weiterhin als Heimischer gehandelt.

Aus RCR-Sicht schließlich besonders erfreulich: Patrick Dietsche  hat endlich mal wieder für eine Laser Regatta die Backstube

im Stich gelassen – Pech für die Liebhaber der besten Brezeln im Umkreis.





Von Heim- und anderen Vorteilen



Samstag, 2-3 Beaufort, stark drehende, teils böige Winde – typische Goldkanal-Bedingungen, deutlicher Heimvorteil für Champs,

die (wie etwa der Autor dieser Zeilen) schon vor 35 Jahren auf diesem anspruchsvollsten aller Baggerlöcher im Umkreis segeln lernten.

Die Europes ziehen nach ihrem ersten Start links rüber zur Insel, klar bevorteilte Seite. Logisch, dass ich 5 Minuten später

ebenfalls links anpeile; nach drei kurzen, superknackigen Wenden und Schlägen, die sich verdammt schnell anfühlten,

werfe ich einen gelassenen Blick nach Lee – kein Boot zu sehen! Das noch ziemlich geschlossene Feld zieht auf der rechten Seite

des Sees, bereits weit über mir, Richtung Luvtonne. So weit zum Heimvorteil.

Oder liegt es daran, dass ja (fast) alle deutlich leichter sind als ich und klare Vorteile bei den lauen Winden haben?

Später, mit teils unverschämten Glück dank netten Winddrückern auf dem Vorwindkurs wieder in die Mitte vorgeschummelt,

entspannen sich die mahlenden Kiefer des Master-Seglers (siehe oben) wieder:

Die Clubkonkurrenz ist in greifbare Nähe, größtenteils sogar unter Kontrolle! Das wird schon, das wird schon!




Wahre Könner

Welche (zugegeben: immer wieder bemühte) Regel kann man auf ausnahmslos alle Sportarten anwenden? Je oller, desto doller!

Natürlich weiß man(n) sich gütigst zu beherrschen, wenn einer von den ganz Jungen (wie etwa die Gebrüder Rebholz

auf ihren nietennagelneuen 196er und 197er-Booten) einfach vorne wegflutschen, als hätten sie – vielleicht im Lenzer? – einen effizienten E-Motor versteckt.

Sehr wohlwollend wird auch Christian Wetzel mit seiner 176er-Nummer nachgeblickt: der (geschätzte) 1,92–m-Segler zieht auf gleichem Kurs

schlicht doppelt so schnell von dannen, so viel Überlegenheit sei ihm gegönnt. Und wenn dann doch mal einer von den richtig Guten

etwa auf der Startkreuz ein wenig zu verbissen noch eben schnell vorne durch will, obwohl ja eigentlich auf Steuerbordbug unterwegs…

dann wird er eben lässig durchgewunken, wer wird denn so kleinlich sein. Doch wehe, einer aus der Masterriege kommt zu nahe!

Dann wird gewendet, nach Raum gebrüllt, sich drüber und drunter gelegt, gepumpt und gezupft, die Kiste aufrecht gerissen,

dass es nur so kracht !Apropos krachen. Sonntags, bei mehr Wind, als zwischendurch erfrischende 4er-Böen auch die faulsten

und schwersten „Säcke“ zum Hängen zwingen, ufert es teilweise aus, ist mitunter „Land unter“, um im Sprichwörtlichen zu bleiben.

Hart umkämpfte Kreuz, mal rechts, mal links bevorteilt, einzige Konstante: der Berichterstatter ist immer auf der falschen Seite!

Während der letzten Sekunden vor der Luv-Tonne drückt sich Segelwart Andeas Deckers noch eben schnell vor mir um die Marke

(obwohl ich doch eigentlich viel besser… aber lassen wir auch das!), wir gehen knapp hintereinander rum,

Andreas halst auf Steuerbord, ich will mit Backbordbug durchflutschen, irgendwas klappt nicht mit Andreas Manöver

(was unschwer am „Sch…“ und „Mist“, und „wo ist denn die Pinne?“ zu hören ist), wie auch immer, jedenfalls rutscht mir

sein Laser vorne auf den Bug, ein paar Sekunden sah es so aus, als wollte sich sein Boot auf meinem ausruhen.

Zum Glück kein Bruch zu erkennen, als er wieder runtergleitet, ein mildes Lächeln auf meinen Lippen: Typisch, so was passiert eben – den anderen!

Nächste Kreuz, ich muss richtig hängen, die anderen haben klare Vorteile, weil sie (fast) alle deutlich schwerer sind als ich!

Dennoch, ich halte mich so lala, wird schon irgendwie klappen. Andreas kommt auf Backbord, deutliche Vorfahrt, klar, ich muss ausweichen, ich muss… ausweichen!

Hart an der Windkante will ich abfallen, das Boot krängt aber zu sehr, um auf den Ruderdruck reagieren zu können, und: kraaaaach!

Ich erwische ihn im Heckbereich, jetzt rutscht meins auf Andreas Boot rauf, mein Bug verheddert sich in seiner Großschot,

unser Segelwart kentert, fällt ins (eigentlich ja gar nicht kalte) Aprilwasser. Kein Fluchen von Andreas, kein Getobe,

kein lautstarkes Einfordern von Kringeln, lediglich ein „kann ja mal passieren“ ! Locker richtet er sein Boot wieder auf, und segelt konzentriert weiter.

Sollten doch nicht alle Mastersegler so verbissen sein? Oder tatsächlich nur ganz, ganz wenige?

Eine von vielen Regeln im Sportjournalismus lautet: Beende einen Bericht niemals mit den Wettfahrtergebnissen. Tja, nun, aber wann soll sonst von

den wahren Heldentaten berichtet werden? Etwa dass Conrad es seinem Bruder mal wieder so richtig gezeigt hat und die Regatta souverän gewinnt?

Christian sich nach eher bescheidenen Anfängen am Samstag auf einen beachtenswerten 2. Rang vorarbeiten konnte? Patrick mit seinem vierten Platz

nach Bodensee-Matze deutlich macht, dass man seinen Laser nicht jedes Wochenende trainierend bewegen muss, um bester RCRler auf dem Laser Standard zu werden.

Und dass der Autor dieser Zeilen mit einem (eigentlich ja peinlichen) Punkt Vorsprung sogar noch Fünfter wird, somit die neu und ziemlich kurzfristig ins Leben gerufene,

vereinsinterne Masterklasse gewinnt!  Zum lächerlichen Preis von nur einem Bier, das Andreas einfordert. Mehr kann ein (Master-) Segler nicht erwarten!

Michael Kunst, GER 152394


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