„Schwarzer Sonntag“ in der Rastatter Ruder-Club-Geschichte
Tragisches Bootsunglück vor 100 Jahren
Der 22. August 1920 kostete drei Opfer
Rastatt(wo). Kommt der Besucher des Stadtfriedhofs Rastatt von der Reithalle her und geht durch das Portal, so findet er an der Friedhofsmauer einige erhaltene historische Grabsteine. Einer davon ist besonders eindrucksvoll: Er zeigt den segnenden Christus in der Mitte, eingerahmt von zwei Mädchen und einem Jungen. Liest man die Inschrift, wird die festgehaltene Szene deutlich: „Den bei einer Bootsfahrt auf dem Rhein am 22. August 1920 Verunglückten. Gewidmet von ihren Eltern und Geschwistern“.
Der Ruder-Club Rastatt (RCR) von 1898, damals noch mit seinem Bootshaus an der Murg in der Augustastraße, heute mit über 550 Mitgliedern in drei Abteilungen am Goldkanal, erinnert sich an diesen schwärzesten Tag in der Vereinsgeschichte. Man hatte eben das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 mit mehreren Gefallenen Mitgliedern zu verkraften und das Ruhen des Sportbetriebs durch das Verbot der französischen Besatzungstruppen hinnehmen müssen.
Doch schon am 28. April 1919 durfte wieder auf der Murg gerudert werden. Der Rhein war allerdings noch gesperrt. Wie ein Befreiungsschlag waren die „Regatten“, welche die RCRler von der Murgmündung zur Steinmauerner Brücke durchführten. Dann verkündete zum Saisonbeginn 1920 der Vorsitzende Rudolf Krum, dass laut Schreiben des Außenministeriums, der RCR seine Fahrten auch auf den Rhein ausdehnen durfte: „Auf dem Rhein schlagen die Rudererherzen höher.“ Doch auch die Herzen von drei jungen Ruder-Club-Mitgliedern sollten aufhören zu schlagen.
Schon bei der zweiten angesetzten Fahrt auf dem Rhein wurden wohl die Wellen eines Schaufelraddampfers den jungen Aktiven Mariele Herrmann, Lina Bloedt und Eugen Krum zum Verhängnis. Etwa 1000 Meter unterhalb der Murgmündung schlug ein Vierer mit Steuermann leck und sank. Die ebenfalls an Bord befindlichen Geschwister Dannhauser konnten sich retten. Die drei anderen verschlangen die Fluten des Rheins. Es stellte sich hinterher heraus, dass Mariele, Lina und Eugen keine geübten Schwimmer gewesen waren.
In der RCR-Chronik ist nachzulesen: „Die Nachricht von dem Unglück wirkte nicht nur in unserem Club, sondern in ganz Rastatt wie ein Schock.“ Unter enormer Anteilnahme der Bevölkerung mit einem Trauerzug durch die Stadt wurden zunächst Lina Bloedt und das Mitglied der Rastatter Pennälerverbindung Markomannia, Eugen Krum, am 27. August zur letzten Ruhestätte auf dem Stadtfriedhof geleitet. Erst am 3. September konnte die Beerdigung von Mariele Herrmann erfolgen. Es ist nachzulesen: „Ihre Rudermütze, welche auf dem Strom treibend geborgen worden war, wurde ihr auch mit ins Grab gegeben.“
Für ein gebührendes Grabdenkmal sorgte der Rastatter Steinmetz Hans Jucker, das bis heute überlebt hat. Nach der verständlichen Lähmung des Ruderbetriebs 1920 nahm der RCR seine Aktivitäten langsam wieder auf. Emotional gebremst fiel dann 1921 der Saisonauftakt, das Anrudern auf der Murg, aus.
Eine schöne Geste von der Stadt Rastatt war aktuell, dass man zum 100-Jährigen des Bootsunglücks den Grabstein reinigen ließ.
Bild 1: Einen „Schwarzen Sonntag“ erlebte der Ruder-Club Rastatt, als drei Mitglieder im Rhein ertranken. Auf dem Foto das vom Bildhauer Hans Jucker geschaffene Grabdenkmal auf dem Stadtfriedhof.
Bild 2: Noch geschockt durch das Bootsunglück fand 1921 auf der Murg neben der Schließbrücke das Anrudern des RCR statt.
Foto/Sammlung: Wollenschneider