HOCHANSTECKEND!!!
Die neue Finn-Welle im RCR
Welche sind die essenziellen Aufgaben in einem Segelverein? Da wäre - logisch – zunächst das gemeinsame Sporterlebnis. Und natürlich Jugendarbeit. Doch ein weiterer wichtiger Faktor, der das Leben von Segelclubs nachhaltig prägt, ist die „Pflege“, das Engagement rund um die Bootsklassen. Die sind wiederum stark beeinflusst von Region, Größe des Segelreviers, vorherrschenden Wetterbedingungen und Klub-Demografie. In der Segelabteilung des RCR waren dies in den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren u. a. 490er, 420er, 470er, FD und Korsar. Heutzutage zieren eher Einhand-Jollen das Gelände vor dem Klubhaus: Laser, Europe und seit einigen Jahren, mit deutlicher Steigerung: das Finn Dinghy.
Das Boot des Vorzeigeseglers
Wer sich ein wenig mit der RCR-Klub-Historie auskennt, der weiß: Die „Finns“ haben seit Jahrzehnten eine Sonderstellung im Regattaleben der RCR-Segelabteilung. Das liegt in erster Linie am wohl bekanntesten Segler unseres Klubs – Jürgen Eiermann. Er segelt seit mehr als 30 Jahren in der ehemals olympischen Klasse (1952 - 2020) zuverlässig ganz nach vorn bei nationalen und internationalen Regatten und steht beispielsweise als 58-Jähriger in der Finn-Rangliste 2024 auf Rang 4 (siehe Eiermann-Porträt). Und auch Thomas Finke hielt Ende der Neunzigerjahre neben Jürgen in der Finn-Regattawelt für einige Zeit die RCR-Flagge richtig hoch. Im RCR-Clubleben war schon in den Jahren davor Dieter Faass (+ 2021) der treibende Motor für die Finn-Klasse. Er rief etwa die unter allen Finn-Seglern beliebte „Osterregatta am Goldkanal“ ins Leben, die bis heute bis zu 50 Finnsegler aus ganz Deutschland und Frankreich anzieht. (Daniel, wie viele Boote sind das wirklich? Bitte korrigieren) . Trotz dieses „geballten“ Finn-Engagements waren es jedoch immer weniger Boote mit der berühmten Doppelwelle im Segel, die vom RCR-Steg zum Training ablegten. Jürgen und Thomas waren immer „auf Achse“ und der Nachwuchs interessierte sich eher für vermeintlich „coolere“ Jollen. Oder man war nicht kräftig genug, um in der Schwergewichtsklasse Finn einen Blumentopf zu gewinnen.
Von der Europe in den Finn
Doch all’ das änderte sich dank des Engagements eines RCR-Seglers, der bezeichnenderweise in der Federgewicht-Klasse Europe nur bei Windstärken ab fünf Beaufort Chancen auf vordere Plätze sah: Daniel Uhl. „Für mich fing es bei den Finns vor 7 Jahren langsam an. Ich hab’ das Bild noch genau vor mir,“ erinnert sich Daniel. „Die Saison war für mich eher bescheiden verlaufen, weil uns auf allen Europe-Regatten nur sehr wenig Wind vergönnt war. Bei der traditionell letzten Regatta der Saison auf dem Brombachsee das gleiche Bild: Der Rauch aus dem servierten Glühwein stieg kerzengerade auf. Trotzdem wurde gestartet, die Leichtgewichte logischerweise vorneweg und neben mir „trieb“ mein Kumpel Hobbes – ähnliche Größen- und Gewichtsklasse wie ich – über den See. Irgendwann schauten wir uns an und ich rief rüber: Es gibt nur eine Lösung… Er unterbrach mich sofort: Ich weiß, wir müssen Finn segeln! Zwei Segler, ein Gedanke: Wir wriggten Richtung Schiri-Boot, meldeten uns bei der verdutzten Rennleitung ‚wegen Wechsel der Bootsklasse‘ ab und versprachen uns, tatsächlich Nägel mit Köpfen zu machen.“ Der Rest ist längst „neue Finn-Geschichte im RCR“: Daniel verkaufte tatsächlich rasch seine Europe, besorgte sich zunächst einen älteren Finn „zum Anfixen“ und stieg dann mit der Hilfe und den guten Szene-Kontakten von Jürgen Eiermann kurze Zeit später auf ein konkurrenzfähiges Finn-Modell um.
Feuer und Flamme
Womit dem neuen Trend zum Finn im RCR der Weg geebnet war. Daniel: „Als Trainer der Opti-Kids habe ich selbstverständlich auch guten Kontakt zu deren Eltern. Einer davon war Andreas Franke – der ehemalige 470er-Kader-Segler lieferte sein Kind bei mir ab und saß danach unterbeschäftigt am Ufer, schaute segelsehnsüchtig auf den See. Also bot ich ihm für die Wartezeit meinen Finn an … und er fing sofort Feuer! Es dauerte nicht lange, da kam Andreas mit eigenem Finn vorgefahren, seitdem ist er nach Jürgen der zweiterfolgreichste Finn-Segler des RCR! 2024 schaffte er es bereits in die Top Ten der Finn-Ranglisten-Welle.“ Doch damit nicht genug. Bald war RCR-Mitglied Martin Deutscher, ehemaliger Olympia-Jollen-Spitzensegler, am neuen RCR-Finn-Trend interessiert. Schon nach den ersten „Schnupper-Schlägen“ auf dem Goldkanal war klar: Martin hatte sich infiziert. Kurze Zeit später lag statt seiner O-Jolle ein Finn auf dem RCR-Landliegeplatz. „Bei Bernd Kebschul, Vater unserer Europe-Spitzenseglerin Elisa und selbst etwas Gewichts-frustrierter Europe-Segler, sprang der Funke ebenfalls schnell über,“ freut sich Daniel. „Und Julian, der Jüngste in unserer Truppe, segelte früher in meiner Opti-Gruppe, stieg dann auf den Laser um, für den er irgendwann zu schwer wurde. Was lag da näher, als ein … Finn?“
Die nächsten potenziellen Finnsegler warten schon
Mittlerweile segeln acht RCR’ler auf der früheren olympischen Jolle. Zwar sind sie mit unterschiedlichen Ambitionen unterwegs – der eine kann mehr Zeit für Regatten opfern als der andere – „wir sind jedoch zu einer festen Größe in der großen Finn-Familie geworden“, unterstreicht Daniel. „Und die nächsten Aspiranten für eine Aufnahme in die RCR-Finn-Gemeinde warten schon!“ Inspiriert von den hervorragenden Leistungen des Jürgen Eiermann, und den tollen Ergebnissen des „Aufsteigers“ Andreas Franke waren sogar einmal (fast) alle RCR-Finnsegler gemeinsam am Start einer Regatta: in Plobsheim/Frankreich. „Um ein Haar hätten wir das Podium für uns gehabt,“ meint Daniel (Plobsheim 2024). So waren es „nur“ Rang 1 und 2 (Jürgen und Andreas) sowie „Für mich schließen sich nach fast jeder Finn-Regatta so manche Kreise,“ sagt Daniel. „Wenn ich gute Bekannte und Freunde aus alten Zeiten nach dem Zieleinlauf ausgerechnet beim „Europe-Kaffee“ treffe. Dann weiß ich, dass der neue Trend hin zum Finn nicht nur beim RCR wahrgenommen wurde! Und bei uns sicherlich weiterhin auf Begeisterung treffen wird.“ Übrigens, wer testen möchte, ob er oder sie nicht auch „reif für den Finn“ sein könnte – Daniel Uhl baut Euch gerne einen Finn für einen Probeschlag auf. Aber Vorsicht: Finn-Segeln ist hochansteckend!
Text: Michael K. ~ MiKu